27. März 2025

Rezension: Hell Followed with Us - Das Monster in uns

Originaltitel: Hell Followed with Us

Autor: Andrew Joseph White
Erschienen: 7. Juni 2022
Deutsche Ausgabe: 03. März 2025

Inhalt: Trans Junge Benji ist mit einem Virus infiziert, das ihn zu einem Seraph mutieren lässt, einem Monster, das die Fähigkeit besitzt, die Menschheit zu vernichten. Er flieht vor einer fundamentalischen Sekte, die ihn als Waffe einsetzen will und sich selbst als Engel bezeichnet, welche für die Postapokalypse verantwortlich sind. Zuflucht findet Benji in einem Zentrum für queere Jugendliche.

"Hell Followed With Us" ist ein Buch, das ich gern schon zehn Jahre früher gelesen hätte. Es hat mich unglaublich gefreut, über so viele trans und nichtbinäre Figuren zu lesen, noch dazu in einem postapokalyptischen Setting.

Die Beschreibungen sind sehr explizit und der Stil kurz und bündig, teils ellipsenartig, was speziell sein mag, aber zur düsteren Atmosphäre passt. Ebenfalls speziell, aber gut gelungen ist das Setting und die Einbindung religiöser Symbolik.

Sehr interessant ist die Raumgestaltung des Romans. Einer der Haupthandlungsorte ist ein Zentrum für queere Jugendliche, das ALC. Dem gegenüber steht Neu-Nazareth, der Wohnstätte der selbsternannten Engel, einer ökofaschistischen religiösen Sekte, die für die erste Apokalypse verantwortlich war. Während das ALZ als Schutzraum für queere Jugendliche unterschiedlicher Herkunft dient, ist Neu-Nazareth ein Ort der Unterdrückung und des Terrors. Die mutierten Monster, einst Menschen, und die durch ein Virus leergefegten Städte, Flut genannt, sind die manifestierten Schrecken, die aus religiösem Fanatismus resultieren.

Sowohl Benji als auch Nick sind gelungene Protagonisten, deren innere Konflikte authentisch und sensibel aufgearbeitet werden. Mir gefiel es sehr, dass man mit Benji eine trans Figur vor ihrer Transition und ohne Dysphorie hat, die trotzdem von den anderen als Junge akzeptiert wird. Gefallen haben mir auch die Kapiteleinschübe aus Nicks Sicht, wodurch man neben der Außensicht auch eine Innensicht von ihm erhält und gezeigt wird, welchen Herausforderungen er sich als Autist und gleichzeitig als Anführer des ALZ stellen muss.

Zu den Nebenfiguren hingegen lässt sich weniger gut eine Bindung aufbauen. Es leben viele Teenager im ALZ, einige von ihnen bestenfalls namentlich erwähnt. Die Story konzentriert sich sehr auf Benjis Entwicklung. Dennoch ist es toll, so viel positive queere Repräsentation in einem einzigen Buch zu finden.

Eine genauere Einordnung der Zielgruppe gestaltet sich als schwierig, da sowohl sehr gewalttätige Szenen und expliziten Body Horror als auch typische Jugendbuch-Elemente miteinander vereint werden. Im Vordergrund steht Benjis Auseinandersetzung mit der eigenen Identität (einmal mit dem eigenen Transsein und auf einer anderen Ebene mit der Verwandlung zum Seraph) und mit der ersten Liebe. Dessen sollte man sich als Leser*in vorher bewusst sein.

Insgesamt ist es ein solides Buch mit einem ungewöhnlichen Setting und sehr guter Repräsentation.

18. März 2025

Rezension: Thousand Autumns. Buch 1 - Tiefer Fall

Originaltitel:  千秋 #1 (Qiān Qiū)

Autorin: Meng Xi Shi
Deutsche Ausgabe: 3. März 2025

Inhalt: Nach seinem schweren Sturz finde sich Shen Qiao in der Obhut von Yan Wushi wieder, der ihn nicht ganz uneigennützig wieder zu neuen Kräften verhelfen will. Er möchte den gutmütigen und nachgiebigen Shen Qiao verderben, indem er ihn auf den dämonischen Pfad bringt.

Wir befinden uns in einem historischen China, die Hauptfiguren sind die beiden Kultivierer Shen Qiao - Anführer eines Daoistischen Clans - und Yan Wushi - Anführer eines Dämonischen Clans. Sehr empfehlenswert ist "Seven Autumns" für Fans von Damneis wie "Heavens Official's Blessing" oder "Grandmaster of Demonic Cultivation". Auch wenn es nicht ganz an die beiden Reihen herankommt, kommt man hier auf seine Kosten.

Sprachlich ist es einfach gehalten. Nichts Besonderes, aber es liest sich schnell und flüssig, wie man es von einem Light Novel erwartet.

Sehr Ansprechend sind die Charakterdesigns. Zum einen sind beide älter als die gängigen Hauptfiguren des Genres (Shen Qiao ist in den frühen 30ern und Yan Wushi etwa in den 40ern). Mit Shen Qiao haben wir zudem eine blinde Hauptfigur. Durch seinen schweren Sturz zu Beginn der Handlung bleibt er das Buch über körperlich beeinträchtigt, und es ist interessant zu sehen, wie er damit umgeht und seinen Alltag dennoch meistert. Die Repräsentation ist sehr schön. Leider gibt es ein paar unglückliche sprachliche Wendungen, die entweder seine Blindheit nicht ganz berücksichtigen oder seinen kränklichen Zustand romantisieren. Insgesamt hätte das noch einen Tick sensibler bearbeitet sein können.

Die beiden haben zudem durch ihre unterschiedlichen Wesenszüge eine interessante Dynamik. Dass es zwischen den beiden knistert, merkt man erst in der zweiten Hälfte. Während Shen Qiao jedoch sehr gutmütig und nahbar ist, bleiben die Beweggründe für Yan Wushis Handeln oft im Unklaren. Seine Handlungen wirken mitunter wenig nachvollziehbar und willkürlich.

Etwas schwierig zu verfolgen ist der Infodump zu Beginn; es werden viele Namen in den Raum geschmissen. Positiv zu erwähnen sind hier aber die vielen Erklärungen am Ende des Buches (Figurenverzeichnis, Aussprache etc). Die Handlung kommt langsam in die Gänge. Da es sich um eine mehrbändige Reihe handelt, muss man damit rechnen. Es werden einige interessante Wendungen angedeutet, die Hoffnung und Lust auf mehr machen.

Insgesamt ein guter Auftakt mit kleineren Schwächen, aber großes Potenzial für weitere Bände.

10. März 2025

Rezension: Die Abenteuer der Piratin Amina al-Sirafi

Originaltitel: The Adventures of Amina al-Sirafi

Autorin: Shannon Chakraborty
Erschienen: 28. Februar 2023
Deutsche Ausgabe: 31. Oktober 2023

Inhalt: Eigentlich will Amina al-Sirafi ihren Ruhestand genießen. Um die Tochter eines ehemaligen Crew-Mitgliedes aus den Fängen eines bösen Magiers zu befreien, muss sie sich jedoch erneut auf ein gefährliches Abenteuer begeben.

Wer nach einem Piratenabenteuer, gespickt mit einer Prise Magie, sucht, wird mit diesem Buch genau das Richtige finden. "Die Abenteuer der Piratin Amina al-Sirafi" ist ein wunderbar diverses und actionreiches Piratenabenteuer mit einer faszinierenden Hauptfigur. 

Es beginnt wie ein klassisches Abenteuer. Es gibt eine Entführung, böse Seeungeheuer, einen sagenumwobenen Schatz. Die phantastischen Elemente werden behutsam in die Story eingeführt und nehmen mit der Zeit deutlich zu. Es gibt ein paar interessante Wendungen und actionreiche, spannende Szenen. Insgesamt bleibt der Plot an einigen Stellen aber recht vorhersagbar.

Das tut dem Spaß keinen Abbruch, wenn man Piratengeschichten im Stile von "Fluch der Karibik" mag. Was den Roman so einzigartig macht, ist die Art und Weise, wie er erzählt wird. Chakrabortys Stärken liegen in ihrem sehr schönen literarischen Stil sowie in der Ausarbeitung des Settings. Wir befinden uns im mittelalterlichen Orient. Hauptschauplatz ist der Indische Ozean.

Amina ist eine Heldin, wie man sie eher selten kennenlernt. Sie ist Mitte 40, Mutter, eine der berüchtigtsten Frauen des Orients, hatte bereits mehrere Ehemänner und ist trotz ihrer vielen moralischen Verfehlungen eine gläubige Muslimin mit freiheitlichen Werten.

In einem konservativem mittelalterlichen Arabien, das von Männern und von Fremdenfeindlichkeit dominiert wird, schafft Chakraborty mit den Piraten einen Raum, in welchem Diversität und Queerness als vollkommen selbstverständlich wahrgenommen werden, was das Setting sehr aufwertet und realistisch macht.

Sehr schön gestaltet ist übrigens die deutsche Ausgabe. Im Buchdeckel befindet sich vorn eine mittelalterliche Fantasykarte des Indischen Ozeans, im hinteren Teil eine Illustration von Amina mit ihren engsten Crewmitgliedern, auf ihrem Piratenschiff, der Marawati, stehend. Hier die dazugehörigen Bilder:


Insgesamt ein sehr guter und unterhaltsamer Roman, den ich Piraten- und Fantasyfans uneingeschränkt empfehlen kann.