22. November 2025

Rezension: The Spirit Bares Its Teeth - Der Tod besiegt alles

 Originaltitel: The Spirit Bares Its Teeth

Autor: Andrew Joseph White
Erschienen: 5. September 2023
Deutsche Ausgabe: 3. November 2025 (bei Cross Cult)

Inhalt: Trans Junge Silas denkt nicht daran, eine gehorsame Speaker-Ehefrau zu werden, so wie seine Eltern es für ihn vorherbestimmen. Sein Versuch, der arrangierten Ehe zu entkommen, misslingt und er wird in ein Mädchensanatorium gesteckt, wo er die "Schleierkrankheit" auskurieren soll. Doch dort spuken nicht nur die Geister ...


Andrew Joseph White zeigt in „The Spirit Bares Ist Teeth“ auf erschreckend bildliche Weise, wie patriarchale Strukturen marginalisierten Gruppen schaden können. Der Horror von liegt nicht im Durchbrechen der Geister in die reale Welt, auch nicht allein an den Gräueltaten, die den Figuren angetan werden, sondern an der Ungewissheit, die ständig zwischen den Zeilen schwebt. Das Sanatorium selbst wirkt nach außen hin relativ harmlos. Der eigentliche Schrecken liegt stets im Verborgenen. Leser*innen finden relativ früh heraus, was im Sanatorium vor sich geht, was für eine spannungsgeladene, drückende Stimmung sorgt.

Die düstere Atmosphäre eines alternativen viktorianischen Londons kommt sehr gut rüber, aufgewertet durch phantastische Elemente wie Geisterbeschwörungen, was an klassische Schauerromane erinnert. Silas mag so seine Eigenheiten haben, was ihn aber zu einem unglaublich nahbaren und einzigartigen Hauptcharakter macht. Ich habe wirklich von Seite zu Seite mit ihm mitgefiebert, mit ihm gefreut oder seine Ängste gespürt.

Der Stil ist sehr immersiv und bildlich. Die meisten Metaphern sind medizinischen Ursprungs, erinnern an Operationen. Das liegt vor allem an der Obsession der Hauptfigur für die Chirurgie. Aber sie funktionieren und geben dem Roman eine spezielle Eigennote.

Auch wenn es als Jugendbuch vermarktet ist, kann ich es nicht wirklich als solches einordnen. Es gibt explizite Gewaltdarstellungen, darunter körperliche Misshandlungen und Operationen bei Bewusstsein, und psychischen Terror. Silas‘ Umfeld ist extrem ableistisch, misogyn und transphob. Wenn man das Buch lesen möchte, sollte man solche Dinge aushalten können.

Sowohl sprachlich als auch inhaltlich ein unglaublich fesselnder Roman und ein persönliches Lesehighlight für mich.


Rezension: Tim & Keiji und der magische Adventskalender

Titel: Tim & Keiji und der magische Adventskalender

Autor*in: Arden Skye
Erschienen: 24. Dezember 2024

Inhalt: Die beiden Freunde Tim und Keiji bekommen einen mysteriösen Adventskalender geschenkt, der sie jeden Tag aufs Neue in eine magische Weihnachtswelt entführt ...


Mit „Tim & Keiji und der magische Adventskalender“ erleben Leser*innen gemeinsam mit den Titelfiguren viele kleine Abenteuer in einer weihnachtlichen Parallelwelt. Die Story richtet sich zwar eher an Jugendliche, kann aber genauso gut von Erwachsenen gelesen werden.
Das Buch selbst ist mit den 24 Kapiteln, also für jedes Türchen eines, wie ein Kalender aufgebaut. Die Kapitel sind vom Umfang her alle ähnlich und relativ kurz, was heißt, dass man selbst an stressigen Dezembertagen Zeit finden kann, ein Kapitel zu lesen, wenn man das Buch selbst wie einen Kalender betrachten möchte.

Die Handlung braucht ein wenig, bis sie Fahrt aufnimmt. Aber es lohnt sich. Es gibt einen Handlungsstrang in der Weihnachtswelt, die nur über den Adventskalender betreten werden kann. Dort geht es sehr harmonisch zu, wodurch eine gemütliche Vorweihnachtsstimmung aufkommt. Im zweiten Strang dreht es sich um Keiji und Tim in der realen Welt. Es gibt immer mal wieder kleine Konflikte, die sich aber sehr schnell wieder auflösen. Drama kommt hier also weniger auf.
Besonders schön ist es, wie divers die Freundesgruppe der beiden Teenager ist und wie gut sich alle verstehen. Auch wenn Freundschaft und Familie viel stärker thematisiert werden als Romantik, erinnert die Stimmung, die aufkommt, ein wenig an Heartstopper.

Der Schreibstil ist einfach und flüssig zu lesen, ideal für jüngeres Publikum. Es gibt nur ein paar ungewöhnliche Eigenheiten, z. B. häufige Sätze, die mit „indes“ eingeleitet werden. Aber darüber kann man hinwegsehen.

Eine tolle Weihnachtslektüre mit viel Cozyness, sowohl für Jüngere als auch Ältere. 

7. November 2025

Rezension: Wolfsprinzessin. Ruf des Mondes (Teil 1)

Titel: Wolfsprinzessin. Ruf des Mondes

Autorin: Elisa Miller
Erschienen: 05. November 2025

Inhalt: Liria ist die Erbin des Wolfsthrons. Es wird gemunkelt, dass sie nicht die Richtige Nachfolgerin ihrer Mutter ist. Und dann taucht auch noch ihr lang verschollener Zwillingsbruder wie aus dem Nichts auf ...


"Ruf des Mondes" ist der erste Teil der Dilogie "Wolfsprinzessin", welche im zweiten Teil nahtlos weitergeht. Wir haben hier also keine abgeschlossene Handlung.

Es ist ein wirklich interessanter, empfehlenswerter Roman mit einer etwas ungewöhnlichen Erzählweise. Schön ist vor allem, wie mit der Werwolfsthematik umgegangen wird. Die Magie ist in diesem Teil sehr subtil gestreut. Sie ist allgegenwärtig, auch wenn sie nicht immer erwähnt oder gezeigt wird, was zum einen für Spannung sorgt und wodurch sich dieses Werk von anderen Werwolfsgeschichten abhebt.

Trotz typischer Elemente wie Magie, Formwandlern und Thronfolgerkonflikt haben wir es hier nicht mit typischer High Fantasy zu tun, sondern mit Figurenfantasy, die, wenn auch mit besonderer Eigenart, entfernt an Reihen wie "Das Lied von Eis und Feuer" erinnern.
Wer epische Schlachten oder die Rettung der Welt gegen böse Mächte erwartet, wird von diesem Buch eher enttäuscht werden. Wer sich jedoch gern auf eine etwas ungewöhnliche Lesart und eine von Figuren getragene Story einlassen möchte, wird in "Wolfsprinzessin" die richtige – durchaus auch fordernde – Lektüre finden.

Die Titelfigur ist ein wichtiger Teil des Figurenensembles, tritt jedoch selbst, ganz gemäß ihrem scheuen Charakter, in den Hintergrund, was Platz für andere Perspektiven schafft. Genau das ist auch das Besondere an diesem Roman. Es gibt verschiedene Sichten auf Ereignisse, jede Figur hat eigene Interessen, die weder als gut noch als böse eingeordnet werden können, was sie sehr vielschichtig macht. Besonders schön ist es, wie divers die Figuren sind. Der einzige Nachteil ist, dass sich die Handlung dadurch recht langsam aufbaut.

Stilistisch ist "Wolfsprinzessin" sehr gelungen. Aufgewertet wird der Roman durch viele intertextuelle Bezüge. Eine Besonderheit sind die Meta-Einschübe. Es gibt einen fiktiven Erzähler, der mit den Leser*innen mal über die Kunst des Erzählens und Genrekonventionen philosophiert, ungewöhnliche Handlungswendungen erklärt und mal auf ganz andere Weise weitererzählt. Sehr interessant und bereichernd sind die als Prätexte inszenierten Zwischenkapitel, die einen neuen Blickwinkel auf die Handlung ermöglichen.

"Ruf des Mondes" ist ein recht langsam aufbauender Dilogie-Auftakt, der an einer sehr brisanten, aber doch genau richtigen Stelle endet.

21. Oktober 2025

Rezension: Dornenhecke

Originaltitel: Thornhedge

Autorin: T. Kingfisher
Erschienen: 15. August 2023
Deutsche Ausgabe: 6. Oktober 2025 (bei Cross Cult)

Inhalt: Hinter einer Dornenhecke verbirgt sich eine Burg. Darin schläft eine Prinzessin. In dieser Geschichte geht es um Krötling, die einst von Feen entführt wurde, nun selbst als Fee dienen muss und seit zweihundert Jahren über die Dornenhecke wacht, hinter der die Prinzessin liegt ...


"Dornenhecke" ist eine interessante, subversive Interpretation von Dornröschen, die mich sehr unterhalten hat.

Als Heldin der Geschichte lernen wir die Fee Krötling kennen sowie den Ritter Halim, der ihren "Fluch" brechen will. Beide sind unperfekt und gerade das macht sie so perfekt für die Geschichte. Besonders Krötling schließt man schnell ins Herz.

Es gibt zwei miteinander gut verknüpfte Erzählebenen. Durch das Zusammentreffen von Krötling mit dem Ritter erfahren Leser:innen nach und nach von den Umständen, die dazu führten, dass Krötling über die Dornenhecke und die Burg dahinter wacht. Man kann sich schon recht früh in etwa denken, was los ist. Es macht dennoch Spaß, der Story zu folgen. Kingfisher beschreibt die Welt sehr ansprechend und trotz vieler bekannter Elemente auf originelle, witzige Weise. Einzig das Ende wirkte etwas übereilt. Da hätten der Erzählung sicher ein paar Seiten mehr gutgetan.

Insgesamt wäre Potential für mehr drin gewesen, gerade weil das Worldbuilding sehr schön und märchenhaft ist. Nichtsdestotrotz ist "Dornenhecke" ein unterhaltsamer Kurzroman mit einer liebenswürdigen Heldin.